mella68: (x-mas)
[personal profile] mella68
TEIL 5: GLACIER




Das Bild wurde für die Winter Challenge auf [livejournal.com profile] art_bingo gezeichnet.

Wieder stammt die wundervolle Story von der lieben [livejournal.com profile] patk, vorerst leider nur auf deutsch.

Anmerkung von Pat:
Beta von [livejournal.com profile] starkat75 die in letzter Minute eingesprungen ist. Vielen Dank auch an [livejournal.com profile] sinaida, die in aller-allerletzter Minute noch ein paar Patzer eliminiert hat. Alle verbliebenen Fehler sind von mir, von wem sonst. Speziellen Dank an [livejournal.com profile] alyburns, die mir mit einer Menge Tipps weiter geholfen und eine enorme Menge Zeit in die Sache investiert hat. Euch allen vielen, vielen Dank.



***


„Oh, nein! Ich werde todsicher nicht in einem Ruderboot auf den See hinauspaddeln“, versicherte Rodney mit verschränkten Armen. „Das letzte Mal, an das ich mich erinnere, sind wir von einem gigantischen Beinahe-Wal gefressen worden!“ Er reckte herausfordernd das Kinn und blickte Sheppard geradewegs ins Gesicht, ein felsenfest stehender Wall gegen Johns zu erwartendes Quengeln.

Und da war es auch schon.

„Ach komm’ schon, Rodney. Die 'Jonas-und-der-Wal'-Nummer war nicht mal real. Das hier wird Spaß machen“, bettelte John.

Gott, der Mann hatte aber auch nicht den geringsten Stolz, wenn er seinen Kopf durchsetzen wollte. „Nein. Schlicht und ergreifend – nein. Ich hab’ genug Wal-induzierte Albträume für den Rest meines Lebens und ...“

„Hier gibt’s keine Wale.“

„... Ruderboote fangen auch schon an, eine wiederkehrende Gastrolle zu spielen. Kein Ruderboot.“ Rodney musterte die am Steg dümpelnde Reihe leuchtend bunt lackierter Schiffchen, als sei er persönlich von ihnen beleidigt worden.

„He! Heißt es nicht immer, man soll sich seinen Ängsten stellen, um sie zu überwinden?“ John breitete die Arme aus und drehte die Handflächen nach oben - die Präsentation eines unwiderlegbar offensichtlichen Arguments.

„Ach, ja? Wo hast du das denn gehört? Einführungskurs auf der Offiziersakademie? Führungspsychologie für Anfänger?“

„Das war ...“

„Wir ha’m auch noch Kajaks.“ Der Einwurf kam etwas undeutlich. Womöglich war das auf den Kaugummi zurückzuführen, um den sich die Worte herumdrücken mussten, ehe sie den Mund des pickelgesichtigen Teenagers verlassen konnten.

Pickelgesicht war dem Wortwechsel mit einer Aufmerksamkeit gefolgt, die normalerweise den Wimbledon-Meisterschaften vorbehalten blieb. Die Aufschrift „Bob’s Row Boat Circus“ auf dem schwarzen T-Shirt wies ihn, wenn schon nicht als Bob selbst, so doch mutmaßlich als Bobs rechte Hand aus. Oder – bei näherer Betrachtung – wohl eher als die linke.

„Kajaks!“, leuchtete Rodneys Gesicht auf. Er schnippte mit den Fingern. „Das ist es! Ausgezeichnete Idee!“

John blinzelte ihn an. „Du und ...“ Sheppard machte eine rollende Handbewegung, die wohl die fragwürdige Natur der Beziehung zwischen Rodney und Wasserfahrzeugen beschreiben sollte. „Kajaks?“

Rodney grinste. „Scouts Canada.“

„Ich dachte, du wärst schon bei den ‚Eager Beavers’ rausgeflogen. Wie bist du dann bei den Scouts Canada gelandet?“

„Dads Spenden wurden großzügiger.“

„Verstehe.“

„Kajakfahren war das Einzige, das mir komischerweise Spaß gemacht hat“, seufzte Rodney. „Vor dem Rest hab’ ich mich nach Leibeskräften gedrückt.“

John grinste breit, sein Weltbild ganz offensichtlich wieder hergestellt. „Dort haben sie dich also auch rausgeworfen“, schloss er messerscharf und Rodney verdrehte die Augen. Das war nun überhaupt nicht der springende Punkt.

„Du wirst es lieben, Sheppard. Kajaks sind schnell, leicht, wendig und praktisch unsinkbar, ganz im Gegensatz zu einem langsamen, plumpen, unhandlichen Ruderboot, das ...“

„Absäuft, sobald ein Wal in der Nähe ist. Klar.“ Sheppard klemmte die Hände in die Achselhöhlen. „Warum ein geräumiges, großzügiges, stabiles Boot nehmen, das man tatsächlich betreten kann, wenn man stattdessen ein winziges, unbequemes Etwas haben kann, dass man praktisch anziehen muss“, meinte John mit sarkastischem Blick. „Kommt nicht in Frage. Wir nehmen ein Ruderboot und zwar ...“ Sheppard wirbelte herum und deutete auf ein leuchtend gelb gestrichenes Boot. „Das da!“

Rodney starrte auf das in Rede stehende Gefährt. Die Seite schmückte das Gemälde eines Mannes, der – mit Hilfe eines gigantischen Schnurrbarts und einer Peitsche - einen ... ja, vermutlich einen Löwen, in Schach hielt. Darunter prangte ein knallroter Schriftzug: „Carlo - The Lion Tamer“.

Rodney schnaubte. „Wenn du glaubst, ich steige in ein Boot, das ein Porträt meiner Katze auf Speed ...“

„Geht nich’“, meldete sich Bobs Helfer zu Wort und hob damit Rodneys Laune beträchtlich. „Die ‚Carlo’ is’ schon gebucht.“

Aber Sheppard war nicht zu bremsen. „Schön, dann nehmen wir ... das da.“

Rodney stöhnte vernehmlich. Das Boot trug den Namen „The Carellis –The Flying Men“ und zeigte ein Knäuel aus Gliedmaßen zwischen zwei schwingenden Trapezen, augenscheinlich den Flieger des Duos. An der rechten Schaukel hing der Fänger und sah nicht so aus, als wäre er kräftig genug, das aufzufangen, was da auf ihn zukam.

„Warum fragst du nicht gleich nach der ‚menschlichen Kanonenkugel’, hm? Das würde so gut zu dir passen.“

„Ich glaube, das ist eine Jahrmarktsattraktion, keine Zirkusnummer. Oder ...“, wandte sich John hoffnungsvoll an den Kaugummi-Kauer, „haben Sie etwa doch ...?“

„Nee, Mom wollt’ das nich’“, schüttelte der viel versprechende Bootsverleiher-Nachwuchs bedauernd den Kopf. „Und die ‚Carellis’ könn’se auch nich’ kriegen, is auch schon wech.“

John warf Rodney einen anklagenden Blick zu, als könne er etwas dafür, dass Bobs Laden offensichtlich brummte.

„Ich habe mit der Sache nichts zu tun“, hob Rodney abwehrend die Hände.

Sheppards Augen verengten sich misstrauisch. „Du hast gesehen, wie ich unterwegs den Werbezettel an dem Imbiß mitgenommen habe, stimmt’s? Und du hast dein Handy dabei. Ich hab’s gesehen.“

„Ich weiß nicht mal, ob wir hier oben überhaupt ein Signal haben.“

„Haben wir“, warf Pickelnase hilfreich ein.

„Rodney!“

„Was? Sei nicht kindisch“, wehrte Rodney entschieden ab. „Was kann ich dafür, dass ...“

Sheppard starrte ihn an, als habe er ihm den Lieblingslutscher geklaut. Oder die P-90. „Oh, verflixt, also schön. Ich …” Rodney rollte die Augen und malte mit den Fingern ein Paar Anführungszeichen in die Luft. „’Stelle mich meinen Ängsten’. Wenn Sie noch ein freies Boot haben, steige ich ein.“

John legte den Kopf schief und Rodney durfte beobachten, wie auf Sheppards Gesicht die Sonne aufging.

„Jaja“, knurrte er leise. „Schon gut, ich liebe dich auch. Also ...“, wandte er sich laut an den künftigen Besitzer des Unternehmens. „Haben Sie noch ein freies Ruderboot?“

Mini-Bob legte die Stirn in nachdenkliche Falten, kaute ein paar Mal gründlich und kontemplativ auf seinem Gummi, ehe er entschlossen nickte und mit einem „Eins hamma noch frei heute“ zielstrebig zum Ende des Anlegers marschierte.

Ein grellbunt bemaltes Boot schaukelte aufreizend auf den Wellen, als wolle es sagen „komm doch, wenn du dich traust“. Rodney starrte auf das Schiffchen, schluckte, und hielt seine Gesichtszüge eisern unter Kontrolle. Er hob den Kopf und blickte John mit ausdruckslos neutraler Miene an. Aber John erwiderte den Blick nicht, sondern musterte nur stumm das Gefährt.

Dann biss sich Sheppard auf die Unterlippe, drehte dem Boot den Rücken zu und wandte sich an Bob junior.

„Wir nehmen ein Kajak.“

Hinter ihnen dümpelte ein riesiges, bleiweißes Gesicht mit schwarzen Kreuzen über den Augen auf der Wasseroberfläche, bleckte die Zähne in einem blutroten, wurstförmig breiten Mund. Durch das karottenrote Haar zog sich ein schwarzer Schriftzug. „Bobo – The Clown“.
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